Hartz-IV-Sanktionen: Bundesverfassungsgericht widerspricht sich selbst

5. Januar 2020 | Hartz-IV-Sanktionen: Bundesverfassungsgericht widerspricht sich selbst

 

Am 5. November hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu Hartz IV geurteilt:

1. „Der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel … zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben.“

2. Die drakonischen Kürzungen des Regelsatzes (von bisher bis zu 100%) sind „derzeit unverhältnismäßig“. – Ein Teilsieg für Millionen Betroffene, Kürzungen um bis zu 30% aber weiterhin möglich!

Nun wissen eigentlich alle, dass bei einem Regelsatz von 432 Euro (ab Januar 2020) die unter 1. genannten Kriterien nicht erfüllt sind, erst recht nicht, wenn dieser Betrag noch um 30% gekürzt wird. Mit anderen Worten, auch das BVerfG selbst stellt fest: Hartz-IV ist verfassungswidrig! Es verstößt gegen die unantastbare Würde des Menschen, die in Artikel 1 des Grundgesetzes garantiert ist.

Dieser offensichtliche Widerspruch lässt die Verfassungsrichter als Diener ihrer Herren aber ebenso kalt wie die SPD-geführten Hartz-IV-Behörden, die noch bis Ende November nach Hintertüren suchten, um die Sanktionsbegrenzung zu umgehen. Erst nachdem ihre Pläne durchgesickert waren, sah sich Arbeitsminister Heil (SPD) genötigt, seine Beamten zurückzupfeifen.

Eine weitere Hintertür steht im Urteil selbst mit dem Begriff „derzeit unverhältnismäßig“ offen. Was „unverhältnismäßig“ ist, bestimmen immer noch die Herrschenden und ihre Parteien – wann immer sie wollen und stark genug sind. Bisher halten SPD/CDU/CSU generell an den Sanktionen fest. Und die AfD sieht gar in ihrer Abschaffung den „Müßiggang zur Staatsraison“ erklärt.

Die unsäglichen Hartz-IV-Gesetze verstoßen jedoch nicht nur gegen Artikel 1 des GG, sondern u. a. auch gegen Artikel 12 (freie Berufswahl, Verbot der Zwangsarbeit), Artikel 11 (Freizügigkeit), Artikel 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung).

Mit der Forderung nach Abschaffung der Sanktionen allein darf es nicht getan sein. Hartz IV muss weg und das Arbeitslosengeld 1 auf Dauer weitergezahlt werden. Darüber hinaus sind notwendig:

Verkürzung der Wochenarbeitszeit, Senkung des Renteneintrittsalters und ein Investitionsprogramm zur Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dies kommt jedoch nicht von allein, es erfordert Kampf gegen die Ausbeuter und ihre Handlanger, d.h. gegen den Kapitalismus.