Stadtparlament Rede Martina Lennartz

Rede unserer DKP-Abgeordneten Martina Lennartz zu Meinungsfreiheit und Grundrechtsabbau

 

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
sehr geehrte Damen und Herren,

Hiermit möchten wir Stellung nehmen zu dem Dringlichkeitsantrag der CDU.
Zuerst stellen wir die entscheidende Frage: Wie kommt die CDU-Fraktion zu der Annahme die ARAG stelle das Existenzrecht Israels in Frage?
Nach unserem Kenntnisstand gibt es hierzu keine Verlautbarung der Gruppe. Falls der Antragssteller mehr weiß, freuen wir uns, wenn er uns seine Kenntnisse mitteilt.
Kritik an der aktuellen (rechten) Regierung in Israel und der praktizierten Siedlungspolitik hat mit Antisemitismus nichts zu tun.
Wir haben eher den Eindruck, dass es hier nicht von Seiten der CDU um Bekämpfung von „Antisemitismus“ geht.
Vielmehr spiegelt der Antrag und die Ereignisse in Gießen als Provinzposse das wider, was wir aktuell auf der Bundesebene erleben:
Unter dem Vorwand die „Demokratie zu verteidigen“, werden abweichende Meinungen immer weiter einschränkt
Die Sprache deren, die meinen die Demokratie verteidigen zu müssen, verrät ganz genau, was zu erwarten ist. Da fallen Begriffe wie „Bekämpfen“, „Entfernen“, Zerschlagen“, „Austrocknen“. Das sind aber doch die gleichen Begriffe derer, die sie ausmerzen wollen.
Der Staat müsse „Extremisten auf allen Ebenen die Grenzen aufzeigen“ und natürlich sollen „diejenigen, die den Staat verhöhnen, (…) es mit einem starken Staat zu tun bekommen“. Die frohe Botschaft für die Zukunft: Meldestellen, „Früherkennungseinheiten“, Ausforschung von verdächtigen Kontobewegungen, Ausbau des „Verfassungsschutzes“ (VS), der Polizei- und Ordnungsbehörden. Ja sogar Gewerbe- und Gaststättenaufsicht reihen sich ein. Und in Gießen sollen Räumlichkeiten nicht an die ARAG vermietet werden.
Der Verfassungsschutz will ab sofort bundesweit ausschwärmen, „um verbale und mentale Grenzverschiebungen“ aufzuspüren, allzeit bereit „jeden Stein umzudrehen.“ Warum übrigens jetzt und nicht zu Zeiten der NSU-Mörderbande?
Wer glaubt, Meinungsfreiheit finde ihre Grenze allein im Strafgesetzbuch sieht sich getäuscht. Ab sofort werde sich der Staat um all die Unfolgsamen kümmern, die „unter der Strafbarkeitsgrenze“ missliebige Meinungen verbreiten und dazu noch die Dreistigkeit besitzen, zu wissen, „was auf den Social-Media-Plattformen gerade noch so unter Meinungsfreiheit fällt“.
Man beachte: Was richtig und was falsch ist, weiß allein die Regierung.
Es wird alles abgeräumt, was der bürgerliche Staat in 175 Jahren an rechtsstaatlichen Prinzipien zusammengebracht hat: den Schutz der Meinungsfreiheit, die Unschuldsvermutung und den Grundsatz, dass es ohne Gesetz keine Strafe geben darf. Die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) titelte am 15.Februar zu den Plänen der deutschen Regierung: „Die wahre Gefahr für die Demokratie liegt in der Entfesselung staatlicher Gewalt von den Zügeln des Gesetzes.“