Aufruf zum Mahngang am 9. November 2024
Am 9. November 1938 wurden in Gießen, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden in Deutschland, Synagogen, jüdische Geschäfte und Häuser von den Nazis überfallen, geplündert und niedergebrannt. Menschen wurden geschlagen, gejagt und ermordet. Die Bevölkerung
sah weg oder klatschte Beifall und beteiligte sich an den Pogromen. Die Reichspogromnacht war eine von langer Hand vorbereitete Aktion und markiert den Übergang zu einer umfassenden Eskalation und Systematisierung der Diskriminierung, Verfolgung und Vertreibung der in Deutschland lebenden jüdischen Menschen sowie trug zur Festigung der faschistischen Diktatur bei.
Am Ende der Terrorherrschaft der Nazis steht ein rassenideologischer Vernichtungskrieg, der unbegreifliches Elend und Leid über die Welt gebracht hat, 50 Millionen Menschen das Leben kostete und in dem größten Menschheitsverbrechen fußte:
6 Millionen europäische Jüdinnen und Juden fielen dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer. Eine industrielle Vernichtungspraxis, dem auch hunderttausende Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuelle sowie politisch Verfolgte zum Opfer fielen.
Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Dies ist ein politisches Vermächtnis von Überlebenden und Widerstandskämpferinnen und -kämpfern gegen den Faschismus. In diesem Zusammenhang ist der 9. November ein Tag des Gedenkens und der Mahnung zugleich. Das Vermächtnis als Grundlage unseres
Handelns zu nehmen, bedeutet für uns klar Stellung zu beziehen und uns einzumischen GEGEN Rassismus, Antisemitismus, Sexismus,
staatliche Repression gegenüber Geflüchteten, Aufrüstung und Kriegspolitik und FÜR eine solidarische Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Deshalb wenden wir uns auch gegen eine Historisierung des Faschismus als eine abgeschlossene einmalige
Epoche. Faschismus ist eine reale und akute Gefahr.
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist.
Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat.
Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Gewerkschafter.
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Martin Niemöller