Walter Deeg – Gewerkschafter – Kommunist – Antifaschist

Walter Deeg – Gewerkschafter – Widerstandskämpfer – Kommunist

Walter Deeg, Widerstandskämpfer, Kommunist
Walter Deeg – Widerstandskämpfer, Kommunist

Walter Deeg, geboren am 6.9.1911, gestorben am 23.8.1983,
war seit seiner Jugend in der kommunistischen Arbeiterbewegung organisiert.
Mit 14 Jahren trat er dem Kommunistischen Jugendverband Deutschlands (KJVD) bei.
1933 sperrten die Faschisten ihn ins KZ Osthofen (bei Worms).

Walter berichtet: “Etwa Mitte Juni 1933 wurden 20 Gießener und Wiesecker Antifaschisten, darunter auch Fritz Gerlach und ich vom Deutschen Holzarbeiterverband, von der SA verhaftet. Bis zum Abtransport ins erste hessische KZ, das Konzentrationslager Osthofen bei Worms, war ich im Polizeigefängnis mit dem Kollegen Gerlach in einer Zelle. Wir haben uns auch selbstverständlich über die Rolle der Gewerkschaften im Angesicht des drohenden Faschismus während der letzten Zeit unterhalten. Und dabei waren wir völlig einig, daß wir viel falsch gemacht hatten, indem wir nicht rechtzeitig und gemeinsam gegen den Faschismus vorgegangen sind. Jetzt sitzen wir gemeinsam hier, der Sozialdemokrat und der Kommunist. Die Einheitsfront haben die Nazis hergestellt, nicht wir.“
und „Beim ersten Transport von Gießener Antifaschisten war mein Bruder mit dabei, mit dem zweiten kam, wie gesagt, ich nach Osthofen, und mit dem dritten folgte unser Vater nach, er war seit 1906 in der Gewerkschaft Metall.“

1932 trat Walter Deeg in die KPD ein. Vor 1933 gehörte er dem Deutschen Holzarbeiterverband an, nach 1945 der Gewerkschaft ÖTV (Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr).

1937 wurde er als „Hochverräter“ zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt.
1940 heirateten Ria und Walter Deeg, da dies die einzige Möglichkeit war Kontakt zu Gleichgesinnten aufzunehmen. Das hatten sie nach der Entlassung aus dem Zuchthaus unterschreiben müssen. Unter Gestapo-Aufsicht gestellt, wurde Walter mit dem Strafbataillon 999 nach Afrika gezwungen, wo es ihm gelang in amerikanische Kriegsgefangenschaft zu flüchten.

Nach dem Krieg kam nach und nach die „braune Brut“ wieder im Staatsapparat, bei Polizei und Militär unter. Von 106 Bundeswehr-Generälen im Jahre 1957 waren alle 106 in der Naziwehrmacht tätig gewesen. Während Verbrecher nach kurzer Haft mit US-amerikanischer Hilfe entlassen wurden – sie konnten gegen die Sowjetunion als nützliche Idioten gut eingesetzt werden – wurden kleine Mitläufer ins Gefängnis gesteckt.

Ria Deeg berichtet in „Signale aus der Zelle“: „Mein Mann Walter wurde vom Minister für Wiederaufbau und politische Befreiung zum Öffentlichen Kläger ernannt. Er kannte als einer der wenigen Bediensteten die örtlichen und politischen Verhältnisse in Gießen am besten und übernahm aus diesem Grunde die Aufgabe des Sachbearbeiters.
Er war von Anfang an bemüht, die wirklichen Schuldigen zu erfassen, und nicht die kleinen Mitläufer. Das war gar nicht so einfach, weil die Hauptschuldigen untergetaucht waren oder unter falschem Namen lebten. Es stellte sich bald heraus, daß man die kleinen Mitläufer bestrafte, während man die großen Halunken laufen ließ, weil sie der Spruchkammer »Persilscheine« (so genannt, weil »nichts so
weiß wäscht wie Persil«) in jeder Menge vorlegen konnten…

Von Anfang an sahen alle Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, ihre Aufgabe in der Spruchkammer darin, ihre eigenen Mitglieder und Freunde zu »entnazifizien“. Nur die Kommunisten und einige Sozialdemokraten machten den Versuch, die örtlichen Nazis und »Nutznießer« zur Rechenschaft zu ziehen.

1947 legte Walter Deeg aus Protest dagegen sein Amt als öffentlicher Kläger bei der Spruchkammmer Gießen nieder.
Nach dem Krieg bespitzelte und bedrohte ihn die Adenauer-Regierung in Gießen. Er wurde 1959 wegen Tätigkeit für die in die Illegalität gedrängte KPD 9 Monate ins Gefängnis gesperrt. Seit der Konstituierung der DKP 1968 war er aktives Mitglied.

Die Gießener Tageszeitungen lehnten zunächst gemeinsam eine Todesanzeige für Walter ab. Sie störte die Wahrheit, nämlich, dass Walter übergangslos von der Gestapo zur Adenauer-Regierung verfolgt und bedroht wurde. Vielleicht störte sie besonders, dass Walter über die Gleichschaltung der Gießener Presse im Faschismus recherchierte.

Zitate aus: Gießener Echo, 1983-04 – Walter Deeg, Zerschlagung der Gewerkschaften 1933, entnommen dem Buch: DGB-Bildungswerk Hessen/Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933-1945

und

Hrsg.: DKP Gießen und VVN-BdA Gießen, “Signale aus der Zelle”,  Autobiographische Berichte der Kommunistin und Widerstandkämpferin Ria Deeg,  erhältlich über g.linhart@gmx.de, Schutzgebühr 5€

 


Deeg, Walter, Zerschlagung der Gewerkschaften, Gießener Echo 04/1983
Abschrift des neben abgebildeten Textes von Walter Deeg aus: Gießener Echo 04/1983, mit Vorwort der Redaktion

Zerschlagung der Gewerkschaften – 2. Mai 1933

Am 2. Mai jährt sich zum 50. Male der schwärzeste Tag der Geschichte der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Nachdem am 30. Januar 1933 der reaktionärste Teil des
deutschen Großkapitals die Weimarer Republik liquidiert und die faschistische Hitlerdiktatur errichtet hatte, folgten den Verboten von KPD und SPD Mord- und Terroraktionen der braunen Horden, am 2. Mai die Zerschlagung der Gewerkschaften. Die Häuser wurden gestürmt, das beschlagnahmt und tausende Funktionäre verhaftet,
gefoltert und umgebracht.

Verfolgung der Gewerkschafter in Gießen

Was sich vor 50 Jahren in Gießen zutrug, schildert Walter Deeg in folgendem Bericht:

? (nicht lesbar) Wochen vor dem 2. Mai 1933, dem Tag der Besetzung der Gewerkschaftshäuser, hatten Gewerkschaftsmitglieder und Mitglieder des „Reichsbanners“ bewaffnete Nachtwachen fürs Gewerkschaftshaus gestellt, um unser „Häusche“ wie es allgemein genannt wurde, vor einem SA-Angriff zu schützen. Und auch ist uns von Sozialdemokraten bekannt, daß sie bewaffnet waren und nur auf den Befehl ihrer Führer gewartet hatten, um loszuschlagen. Doch dieser Befehl kam nie.

Und dann wurde am 2. Mai auch in Gießen das Gewerkschaftshaus von der SA besetzt und die Gewerkschaftsfunktionäre wurden entlassen. Das waren die Kollegen Dolle vom Deutschen Metallarbeiterverband, Horn vom Verband der Bergbauindustriearbeiter Deutschlands, Magenheimer und Hansmann vom Gesamtverband der Arbeitnehmer der öffentlichen Betriebe und des Personen- und Warenverkehrs, Frischmann und Müller vom Zentralverband der Angestellten, Karl Benner vom Einheitsverband der Eisenbahner Deutschlands, Albin Mann vom Deutschen Baugewerksbund, Fritz Gerlach vom Deutschen Holzarbeiterverband und der Kollege Kaase vom Deutschen Tabakarbeiterverband. Dieser Kollege Kaase muß später auch im aktiven Widerstand für die SPD oder die Gewerkschaft gestanden haben, denn er war aus politischen Gründen vom 12.6.1936 bis 22.9.1937 im Gefängnis.

Etwa Mitte Juni 1933 wurden 20 Gießener und Wiesecker Antifaschisten, darunter auch Fritz Gerlach und ich vom Deutschen Holzarbeiterverband, von der SA verhaftet. Bis zum Abtransport ins erste hessische KZ, das Konzentrationslager Osthofen bei Worms, war ich im Polizeigefängnis mit dem Kollegen Gerlach in einer Zelle. Wir haben uns auch selbstverständlich über die Rolle der Gewerkschaften im Angesicht des drohenden Faschismus während der letzten Zeit unterhalten. Und dabei waren wir völlig einig darüber, dass wir viel falsch gemacht hatten, indem wir nicht rechtzeitig und gemeinsam gegen den Faschismus vorgegangen sind. Kollege Gerlach war der gleichen Meinung. „Jetzt sitzen wir gemeinsam hier, der Sozialdemokrat und der Kommunist. Die Einheitsfront haben die Nazis hergestellt, nicht wir.“

Beim ersten Transport von Gießener Antifaschisten war mein Bruder mit dabei, mit dem zweiten kam, wie gesagt, ich nach Osthofen, und mit dem dritten folgte unser Vater nach, er war seit 1906 in der Gewerkschaft Metall.
Wie brutal die Nazis damals gegen Gewerkschaftsfunktionäre vorgingen, mag der folgende Vorfall schildern: Am 17. Juli 1933 wurde der Gewerkschaftsfunktionär und Mitglied der SPD, Paul Szymkowiak aus Gießen, der zu dieser Zeit vorübergehend in Herborn tätig war, zum zweiten Mal von der SA unter dem Vorwand verhaftet, er sollte der Staatsanwaltschaft in Wetzlar zur Vernehmung vorgeführt werden. Mit zwei Pkw’s fuhr die SA mit Szymkowiak in Richtung Wetzlar. Zwischen Wetzlar und Dutenhofen wurde er
in den Wald geschleppt, mit Stahlruten und Gummiknüppeln geschlagen und „zum Spaß ein bißchen aufgehängt”.
Die Schlinge hatte man ihm schon im Auto um den Hals gelegt. Im Anschluß an diese Mißhandlungen wurde er in das Wetzlarer Gefängnis eingeliefert. Von dort mußte er aufgrund seiner schweren Verletzungen in ein Wetzlarer Krankenhaus überwiesen werden. Monatelange Krankenhausbehandlung war erforderlich, bis er wieder ohne Krücken laufen konnte.

Auszug aus dem Bericht Walter Deegs „Verfolgung und
Widerstand in Gießen“ in: Hessische Gewerkschaften im
Widerstand 1933 — 1945, Hrsg. DGB Bildungswerk Hessen/ Studienkreis zur Erforschung und Vermittlung der Geschichte des deutschen Widerstandes 1933 — 1945