Heinrich Creter – Kommunist und Antifaschist

Werrastraße 13: Hier wohnte Heinrich Creter…

 

von Dieter Bender

Gießen | Wenn Straßen und Häuser Geschichte erzählen könnten, dann hätte das Haus Nr. 13 in der Gießener Werrastraße einiges zu erzählen über einen der ehemaligen Bewohner, Heinrich Creter.

Geboren war der Schlosser 1900 in Ludwigshafen, seine Frau, Margarethe Köhler, stammte aus Fulda, geheiratet hatten die beiden 1921 in Darmstadt, wie sie nach Gießen kamen und wann sie genau von der Gnauthstraße in die Werrastraße umzogen, ist nicht bekannt. Zu Zeiten der Weimarer Republik ist Heinrich Creter politisch nicht hervorgetreten, er gehörte keiner Partei an. Nachdem Hitler an die Macht gebracht wurde, kam er in Kontakt mit Hans Rosenbaum und Maria Baitz (heute bekannter als Ria Deeg), zwei Gießener Kommunisten, die ihn für die illegale Widerstandsarbeit gewannen. Zusammen mit Hans Rosenbaum gehörte er zu den führenden Genossen, die die „Rote Hilfe“ in Gießen in der Illegalität reorganisierten. KPD und SPD waren verboten, alle Parteien, außer der NSDAP aufgelöst, die Arbeiter-Sport und –Kulturvereine verboten, jedwede Form von Widerstand wurde verfolgt.

Creter sammelte Spenden für die „Rote Hilfe“ zur Unterstützung der verfolgten Genossen und der Angehörigen von Inhaftierten, er beteiligte sich an der Verteilung illegaler Flugblätter und Schriften der KPD. Diese Widerstandszelle blieb bis 1937 unentdeckt.

Als erster wurde Hans Rosenbaum gegen Ende April 1937 verhaftet. Daraufhin beschlossen Walter Deeg, der ebenfalls zu dieser Gruppe gehörte und Heinrich Creter Deutschland zu verlassen und sich den republikanischen Truppen im spanischen Bürgerkrieg anzuschließen. Da die Verbindung zur Leitung der illegalen KPD bereits abgerissen war, machten sie sich per Fahrrad auf nach Aachen, in der Hoffnung im Dreiländereck über die Grenze nach Frankreich zu gelangen. Sie versuchten erfolglos eine Nacht lang die Grenze zu überwinden, gaben dann die Versuche auf und fuhren per Bahn nach Darmstadt, wo sie sich trennten.

Kurz darauf wurde Creter verhaftet. In der Folge wurden dann 8 Mitglieder der Widerstandsgruppe verhaftet und zu insgesamt 29 Jahren und 6 Monate Haft verurteilt, Creter und Rosenbaum bekamen je 5 Jahre Zuchthaus, Deeg 3 Jahre, am glimpflichsten kam der Krofdorfer Kommunist Otto Rüspeler davon, dem man abnahm, dass er die anderen Angeklagten lediglich von früher vom Arbeitersport kannte.

Nachdem Heinrich die 5 Jahre im Zuchthaus Butzbach und Wehlheiden (Kassel) verbüßt hatte, wurde er keineswegs freigelassen, sondern am 26. Juni 1942 in das KZ Buchenwald überführt. Hier gehörte er zeitweilig mit Hans Rosenbaum zum selben Arbeitskommando wie der bekannte Frankfurter Antifaschist Emil Carlebach, der zu den wenigen jüdischen Überlebenden von Buchenwald gehörte.

Heinrich Creter hatte ebenfalls das Glück die Zeit im KZ zu überleben, trug aber von der langjährigen Haft schwere gesundheitliche Schäden davon. Sein Krankenblatt in Buchenwald weist mehrere Einträge auf, die auf eine Schädigung der Lunge hindeuten.

Nach der Befreiung von Buchenwald kehrte er nach Gießen in die Wohnung in der Werrastraße zurück und arbeitete als Lagerist, es blieben ihm aber nur einige Monate Überlebenszeit. Heinrich Creter verstarb am 14. Juli 1947 im Alter von 47 Jahren.

Wie in so vielen diesen Fällen dauerte es noch einige Jahre, bis die Geschichte ihren Abschluss fand, denn da gab es ja noch die Witwe, die lediglich 44 DM Rente bekam, da ihr Mann ja nicht nur 8 Jahre in Haft verbracht hatte, sondern vorher auch noch Zeiten der Arbeitslosigkeit zu überstehen hatte.

In einem Bescheid vom 19. Januar 1951 ist zu lesen: „Der Antrag auf Wiedergutmachung für Schaden im wirtschaftlichen Fortkommen stützt sich auf die Verfolgung ihres verstorbenen Ehemannes. Nach Ihren eigenen Angaben war dieser 8 Jahre vor seiner Inhaftnahme erwerbslos. Da nach § 31 des Entschädigungsgesetzes eine Wiedergutmachung nur dann möglich ist, wenn der Verfolgte wirtschaftlichen Schaden durch Entlassung oder Versetzung in eine erheblich geringer entlohnte Beschäftigung erlitten hat und dieser Sachverhalt nicht vorliegt, muß der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch abgewiesen werden.“

Obwohl ihr bescheinigt wird, dass ihr Mann an den Haftfolgen verstorben ist, erreicht sie 1955 nur noch eine Aufstockung ihrer Rente auf die Mindestrente von 156 DM.

Die Akte findet dann ihren Abschluss 1957 als der Witwe mit ihrer Wiederverheiratung die Rente gestrichen wird.

Dieter Bender, 14.10.2020